Am 2. Juli 2018 stattete der Bayerische Staatsminister des Innern und gegen Integration Joachim Herrmann unserem Camp einen Besuch ab. Jedoch: Mit uns sprach niemand. Spontaner Sitzprotest gegen rassistische Ignoranz folgte.
Regensburg. Nach dem Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Bajuwarenkaserne kam Minister Herrmann in unser Camp, welches die mit Stacheldraht umzäunte frühere Pionierkaserne in der Zeißstraße ist. Deutschen ist unser Camp bekannt als „Transitzentrum“, manche nennen es auch „Abschiebelager“, da regelmäßig Geflüchtete mit Gewalt von hier fortgebracht werden. Bald wird es wieder einmal umbenannt: in „AnKER-Zentrum“.
Die Lebensbedingungen in unserem Camp sind schlimmer als in anderen Gemeinschaftsunterkünften. Die alltägliche Zermürbung hat zahlreiche Facetten. Ohne auf die Details eingehen zu wollen, sagen wir nur so viel: Wer wissen möchte, was hier vor sich geht, sollte es bereits wissen, denn die Zustände sind kein Geheimnis.
Als Herrmann samt Entourage in zehn schwarzen BMW und Polizeibegleitung in den Hof des Camps fuhr, erwarteten wir ein Gesprächsgesuch seinerseits, welches wir auf Augenhöhe durchgeführt hätten. Allerdings hat er vergessen, dass wir die Bewohnenden des Camps sind, denn er hat vergessen, wer wir sind:
Menschen, nicht zu verwaltende Zahlen, die am Ende gegen Null gehen sollen.
Herrmann machte eine Händeschüttel-Runde durch das Camp und ließ sich u.a. die Kinderbetreuung vorführen, jedoch auch die riesige Halle, in der zahlreiche Geflüchtete aus Moldawien zusammen leben müssen – Schlafareale sind nur abgegrenzt durch nach oben offene Spanplatten (Fotos s. Anhang).
Der Bewohner Belay Legese* meint dazu: „Während seiner Runde begrüßte Minister Herrmann uns niemals, sondern unterhielt sich fortwährend mit dem deutschen Personal auf Deutsch über uns. Wir haben trotzdem sehr gut verstanden, was vor sich ging.“
Unerschrocken beendete Herrmann seine Sightseeing-Tour mit der Camp-Leitung im Hof. Die Polizei ließ uns nicht zu ihm, um mit ihm zu reden. Als er wieder abreisen wollte, kam es zu einem spontanen Protest gegen seine rassistische Ignoranz: Ca. 40 Bewohnende unseres Camps setzten sich vor das Ausgangstor, um
ein Gespräch mit ihm zu erwirken und unseren Ärger lautstark kundzutun (Fotos s. Anhang). Manche von uns filmten, was vor sich ging. Das Securitypersonal versuchte, dies mit Gewalt zu unterbinden und Handys zu entreißen, allerdings gelang es uns, uns gegenseitig zu schützen.
Nach einer knappen Viertelstunde hatte die Camp-Leitung und die Security ein anderes – sonst nicht genutztes – Tor im hinteren Bereich des Hofs geöffnet, sodass Herrmann der peinlichen Konfrontation buchstäblich durch die Hintertür entfliehen konnte.
Wir bitten die Presse um ausgewogene Berichterstattung. In keinem Artikel über den Besuch Herrmanns wurden unsere Handlungen oder Meinungen geschildert. Wir fordern die Schließung der unmenschlichen AnKER-Zentren und eine Umverteilung in dezentrale Unterkünfte sowie eine Perspektive in Deutschland mit der Möglichkeit, zu arbeiten und uns zu bilden. Das Rückübernahmeabkommen mit dem diktatorischen Regime in Äthiopien muss zurückgenommen werden. Ebenso verurteilen wir die Dublin-Abschiebungen,
wegen derer wir nachts nicht schlafen können. Wir kamen nach Deutschland, um Schutz zu suchen, doch unser Leben ist fortwährend in Gefahr.
Vielen Dank im Voraus,
die „Refugee community in Zeißstraße camp“ in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „No Deportation
Nowhere“ am 3. Juli 2018
Übersetzung erfolgte durch das Netzwerk „No Deportation Nowhere“.
Presseanfragen auf Deutsch oder Englisch an Geflüchtete bitte via Email an das Netzwerk, danach erfolgt Vermittlung:
nodeportation.nowhere@autistici.org
*Name geändert