Einige aus unserer Gruppe hatten die Möglichkeit an einem Workshop zum Thema “Reproductive Justice” mit Professorin Anne Hendrixen aus den USA teilzunehmen.
Das Konzept der “Reproduktiven Gerechtigkeit” kommt aus der Schwarzen Frauenbewegung in den USA. Während sich in linken deutschen Kreisen bei dem Thema oft alles nur um das Recht auf Abtreibung dreht, geht es bei “Reproduktiver Gerechtigkeit” um das Recht, Kinder zu bekommen oder eben nicht, sowie die Frage nach den Bedingungen, unter denen Menschen sich dafür oder dagegen entscheiden.
Zum Beispiel, die stärker gewordene Rechte ruft in Deutschland heute offensiv zur Bevölkerungspolitik auf – sei es, dass Migration durch Geburtenkontrolle im Globalen Süden bekämpft werden soll oder dass Frauen mit deutscher Herkunft aufgerufen werden, mehr Kinder zu bekommen. In vieler Hinsicht können diese Forderungen an eine nationale und globale Politik ansetzen, die längst Realität ist, aber gegen die es derzeit kaum Gegenstrategien gibt.
Entwicklungspolitische Programme im Globalen Süden zielen darauf ab, Geburtenraten besonders in ländlichen Regionen und unter sozial benachteiligten Gruppen zu senken. Neue Langzeitverhütungsmethoden – wie etwa Hormonimplantate – kommen dafür in Public Private Partnerships mit der Pharmaindustrie zum Einsatz.
In Deutschland ist es erklärtes Ziel von Familienpolitik, Kinderwünsche verwirklichen zu helfen. Aber das trifft nicht für alle zu: Leute mit Kindern, die nicht dem Norm Bild der deutschen Mittelschichts-Familie entsprechen, erfahren weniger staatliche Unterstützung oder werden diskriminiert, sei es dass Hartz-IV-Empfänger*innen kein Elterngeld bekommen, sei es dass keine Familienzusammenführung genehmigt wird oder dass Kinder ohne Aufenthaltsstatus keinen Kitaplatz erhalten. Für Flüchtlingsfrauen ist die Situation besonders gravierend.
In unserem letzten Newsletter haben wir bereits auf die Problematik von Hormonimplantaten mit begrenzter Haltbarkeit, die Frauen sich wegen des hohen Risikos ungewollter Schwangerschaft durch Vergewaltigung auf der Fluchtroute nach Europa einsetzen lassen, hingewiesen. Zum Thema Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch gibt es quasi keine zugänglichen Informationen in den isolierten Lagern und dadurch eine große Abhängigkeit von willkürlicher Beratung durch Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen und gerade christlichen Beratungsstellen. Viele Frauen* entscheiden sich aufgrund der Bedingungen, die sie in den Lagern in Deutschland vorfinden, dagegen, Kinder zu bekommen und tun sie es doch, wird ihnen vorgeworfen, es ginge nur um “Aufenthaltserschleichung”. Sind Schwangerschaft und Geburt überstanden, wird es nicht besser:
Wie während des Wochenbetts im vierten Stock ein Zimmer mit 3 anderen Personen teilen während die Duschen und Toiletten sich im Keller befinden?
Frauen* berichten immer wieder davon, wie sie ihre Neugeborenen allein im Zimmer zurücklassen müssen, um in der 50m entfernten und dreckigen Küche Essen zuzubereiten.
Glücklicherweise erleben wir als geflüchtete Frauen* und Freundinnen untereinander eine große Solidarität, die es denen, die Kinder bekommen möchten, ermöglicht.
Und letztlich entsteht mit neuem Leben immer neue Hoffnung – ein Akt der Rebellion gegen ein menschenverachtendes System, das uns unsere Menschenwürde abspricht!