Bis heute ist unklar, wie Rita O. zu Tode kam. 2019 lebte die damals 32-jährige Mutter im Asylbewerberheim Hohenleipisch. Flüchtlingsinitiativen erheben schwere Vorwürfe gegen Polizei und Staatsanwaltschaft. Letztere verwahrt sich dagegen und nennt neue Details.
Die Faktenlage ist auch nach mehr als zwei Jahren dünn. Im Juni 2019 wurden unweit des Asylbewerberheimes Hohenleipisch menschliche Körperteile gefunden. Einer DNA-Analyse zufolge sind sie zweifelsfrei der damals 32-jährigen Kenianerin Rita O. zuzuordnen, die im Heim lebte. Die Mutter von zwei Kindern, damals zwei und vier Jahre alt, war am 7. April als vermisst gemeldet worden.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg, Women in Exile & Friends und die Opferperspektive e.V. wiederholen in einer gemeinsamen Presseerklärung erneut ihre schweren Vorwürfe gegen Polizei und Staatsanwaltschaft. „Bis heute ist das Verfahren nicht abgeschlossen, geschweige denn wurde Anklage erhoben. Es entsteht der Eindruck, dass die Ermittlungsbehörden kein Interesse an der Verfolgung der Tötung von Rita O. haben und dass eine Anklageerhebung staatlicherseits verschleppt wird, in der Hoffnung, der Skandal um ihre Tötung und die katastrophalen Ermittlungsarbeiten würde in Vergessenheit geraten.“
Flüchtlingsinitiativen kritisieren „schleppende Ermittlungen“ im Fall Rita O.
Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon von der Staatsanwaltschaft in Cottbus weist das zurück und sagt: „Wir haben alles getan. Das ständige Wiederholen der Vorwürfe ändert an den Tatsachen nichts.“
Das Misstrauen der Flüchtlingsinitiativen stützt sich zunächst auf den ihrer Ansicht nach schleppenden Ermittlungsbeginn. Seit 7. April wurde Rita O. vermisst. Am 25. April gibt die Polizeidirektion Süd eine Suchmeldung heraus, und am 11. Juni startet die Polizei mit einer Hundertschaft eine groß angelegte Suchaktion. Dabei werden die Skelettreste in unmittelbarer Nähe des Asylbewerberheimes gefunden.
Dass erst nach längerer Zeit mit einem Großaufgebot der Polizei gesucht wurde, macht die Flüchtlingsinitiativen noch heute zornig. „Erst nach massivem zivilgesellschaftlichem Druck wurde viele Wochen nach Ritas Verschwinden der Wald um das Heim durchsucht und in 300 Metern Entfernung zur Sammelunterkunft die sterblichen Überreste von Rita O. gefunden. Wichtige Spuren und Beweise waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden“, heißt es in der Presseerklärung.
Auch dazu hat der Oberstaatsanwalt in der Vergangenheit mehrfach erklärt. „Wir haben bereits am 11. April mit Befragungen im Umfeld begonnen und am 16. April zum ersten Mal im Wald mit Hunden gesucht.“ Eine Handyortung habe stattgefunden, Angehörige und nahestehende Personen seien befragt worden.
Tod von Rita O: Flüchtlingsinitiativen sprechen von einem „hinreichenden Tatverdacht“
Für die Flüchtlingsinitiativen steht der Täter indes fest. Rita O. habe sich im Heim wie andere Frauen auch mehrfach „über einen Mann beschwert, vor dem sie Angst hatten“. Auf ihre Besorgnisse sei aber nicht eingegangen worden. „Es gibt eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass Rita O. Opfer eines Verbrechens durch diesen Mann, der eine Beziehung mit ihr führen wollte, geworden ist“, glauben die Flüchtlingsinitiativen, und auch die Anwältin der Familie von Rita O., sieht einen „hinreichenden Tatverdacht gegen den Mann“. Dabei, so bestätigt später der Landkreis Elbe-Elster handele es sich um einen Nigerianer, der später in ein anderes Heim verlegt worden sei.
Unverständlich für die Flüchtlingsinitiativen sei es, weshalb die Erklärungen eines der Kinder nicht stärker Beachtung gefunden hätten. Der Pressemitteilung zufolge habe ein Sohn „sehr zeitnah“ berichtet, „dass dieser Mann seine Mutter niedergeschlagen und dann mitgenommen habe.“
Trotz dieser Anhaltspunkte, so wird in der Presseerklärung geschildert, habe „die herbeigerufene Polizei nicht alle Hebel in Bewegung“ gesetzt, „um Rita zu suchen und gegebenenfalls zu retten, sondern behauptete zum Teil mit deutlich sexistischen und rassistischen Untertönen, dass es eher wahrscheinlich sei, dass sich die junge Frau abgesetzt hätte, um woanders ein neues Leben zu führen.“ Nach Auffassung von Flüchtlingsrat, Women in Exile & Friends und Opferperspektive habe „nicht einmal der Umstand, dass sie ihre beiden kleinen Kinder allein gelassen hatte, obwohl sie von allen als stets fürsorglich beschrieben wurde“ Polizei beziehungsweise Staatsanwaltschaft veranlasst, die Ermittlungen zu intensivieren.
Auch diese Vorwürfe dementiert Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon entschieden. Vermutungen und Spekulationen würden nicht weiterhelfen, „wir müssen stichhaltige Beweise erbringen“. Hinsichtlich der Aussagen des Kindes gebe es gleich eine ganze Reihe von Widersprüchlichkeiten. Dann wird der Staatsanwalt auch schon mal konkret: Da sei die Rede davon gewesen, dass sich die Mutter geritzt habe, als sie gestürzt sei. „Wir haben kein Blut gefunden“, so Gernot Bantleon.
Und er widerspricht Vorwürfen, wonach sich der vermeintlich Tatverdächtige abgesetzt habe: „Nach meinem Kenntnisstand wissen wir, wo er ist.“ Gernot Bantleon fügt aber hinzu: „Selbst wenn er ausreisen wollte, wir hätten momentan keine Gründe, dies zu verweigern.“
Tod von Rita O.: Ein Tötungsdelikt ist nicht nachweisbar
Auch nach dem Auffinden der menschlichen Überreste könne immer noch nicht zweifelsfrei von einem Tötungsdelikt ausgegangen werden. „Ich glaube das zwar, kann es aber nicht beweisen“, so der Oberstaatsanwalt.
Denn – diese Details gibt er erstmals preis – „die aufgefundenen Leichenteile waren stark verbrannt“. Noch immer würden DNA-Analysen durchgeführt. Wie verzwickt die Ermittlungen sind, lassen weitere Andeutungen erahnen. Sollte die Frau einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen sein, sei noch unklar, was vor der Brandlegung geschah. „Wir wissen nicht, ob die Frau noch gelebt hat.“
Auch ein Suizid könne noch nicht ausgeschlossen werden. Spuren am Tatort ließen zudem Schlüsse auf ein Verbrennungsritual zu, das in afrikanischen Ländern angewendet werde. Und endgültig kompliziert wird es, als der Oberstaatsanwalt erklärt: „Wir haben auch noch Knochen am Tatort gefunden, die momentan nicht der Frau zuzuordnen sind. Es ist ganz obskur.“
Forderungen von Flüchtlingsinitiativen
Auf einem Fachtag unter dem Motto „Istanbul goes Brandenburg: Jetzt! Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen und Mädchen: Fachtag zu Vernetzung und Austausch zur Umsetzung der Istanbul-Konvention“ war auch der Fall von Rita O. Thema.
Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfungvon Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, kurz Istanbul-Konvention, verpflichtet alle Träger staatlicher Gewalt, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen“ (Art. 1 Abs. 1 lit. a). Die Rechte der Istanbul-Konvention müssen Staaten diskriminierungsfrei für alle Frauen und Mädchen gewährleisten (Artikel 4 Abs. 3).
Im Vorfeld des Treffens haben Flüchtlingsrat Brandenburg, Women in Exile & friends und Opferperspektive e.V. in einer Presseerklärung gefordert, dass
„- der Tod von Rita O., die Umstände, die ihn möglich machten und dass Versagen der Strafverfolgungsbehörden bei dessen Aufklärung juristisch und politisch untersucht und aufgearbeitet werden,
– die Unterkunft in Hohenleipisch aufgelöst wird,
– das Land Brandenburg geflüchtete Frauen und Mädchen in Wohnungen statt in Sammelunterkünften unterbringt,
– dass solange Mädchen und Frauen in Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen, die Umsetzung und Wirksamkeit von Gewaltschutzkonzepten regelmäßig intern und extern überprüft wird und unabhängige Beschwerdestellen für Bewohner*innen niedrigschwellig erreichbar sind,
– das Land Brandenburg seiner Verpflichtung geflüchtete Frauen und Kinder vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen nachkommt und die Istanbul-Konvention in allen Bereichen konsequent umsetzt.“