Presse-Tribunal: Finale Anklagepunkte von Women in Exile and Friends

 

Vom 23. Juli bis zum 5. August reiste Women in Exile and Friends auf ihrer Sommer-Bustour durch Süddeutschland und die Schweiz, um sich mit anderen Initiativen und Gruppen vernetzen, die gegen Rassismus und diskriminierende Asylgesetze und Regulierungen kämpfen.

Der Fokus unserer Tour:

  • Fluchtgründe, die gefährlichen Fluchtrouten, die Geflüchtete auf ihrem Weg nach Europa auf sich nehmen, Kriminalisierung von Geflüchtete, Abschiebungen, die mit dem Tot enden und Polizeigewalt.
  • „AnkER“-Zentren und der Innenminister Horst Seehofer, der Kopf hinter diesen „AnkER“-Zentren, die auf Rassismus und Diskriminierung aufbauen
  • die unmenschlichen Bedingungen und die Traumatisierungen, mit denen Geflüchtete in diesen großen Lagern leben

Testimony:

Wir sprachen mit einer jungen Frau, die in dem neuen „AnkER“-Zentrum in Bamberg lebt. Sie erzählte uns, wie sie die gefährliche Flucht überlebte und nach ihrere Ankunft in Deutschland zunächst in einem der sogenannten Ankunftszentren lebte – die sich in ihren Bedingungen nicht von denen der „AnkER“-Zentren unterscheiden – und dann in das „AnkER“-Zentrum in Bamberg verlegt wurde. Hier ist eine kurze Zusammenfassung ihrer Geschichte:

„Ich kam durch die Wüste nach Libyen, wo ich dann für drei Monate in einem der Lager eingesperrt wurde. Ich schaffte es dann auf ein Boot und hatte Glück und überlegte die Überfahrt über das Mittelmeer. Aber einige der Menschen auf dem Boot ertranken. Ich wachte an einem italienischen Strand auf und neben mir lagen einige leblose Körper.

In Deutschland wurde ich zwei Mal in unterschiedliche Camps transferiert. Jetzt lebe ich mit meinem Kind hier in Bamberg. Wie ihr sehen könnt, ist er krank, denn weder schläft er, noch isst er. Ich war mit ihm beim Arzt, der einmal wöchentlich ins Camp kommt. Dieser sagte, dass mit meinem Kind alles in Ordnung sei. Aber schaut ihn an, wie dünn er ist. So soll ein Kind aussehen, dass gesund ist? Ich bin so verzweifelt. Ich lebe in einer ständigen Angstsituation, nicht nur meiner Situation wegen, sondern vor allem wegen der meines Kindes. Ich habe ein Trauma, aber niemand interessiert sich für mich oder mein Kind, niemand kümmert sich.“

Um diese Situation nachzuweisen, haben wir die Frau gefragt, ob wir ein Foto von ihrem Kind machen dürfen, um es dann auf unserem Blog zu veröffentlichen. Sie hat uns erlaubt, das Foto wann und wo immer wir wollen zu veröffentlichen. Sie hofft, dass dadurch jemand ihr Kind sehen und retten wird.

Finale Anklagepunkte von Women in Exile and Friends

Die sogenannte Flüchtlingskrise wird als das Hauptproblem für die europäischen Staaten dargestellt. Aber was Europa in Wirklichkeit betreibt, ist ein Genozid gegen Geflüchtete. Wir bezeichnen es als Genozid, da die EU das wissentliche systematische Töten von tausenden Menschen zulässt – nicht nur auf dem Mittelmeer, sondern auch auf der sogenannten Rückkehrroute durch die Wüste. Diese Toten werden durch bewusste Entscheidungen von Deutschland und der Europäischen Union verursacht.

Deshalb klagen wir Deutschland und die Europäische Union des Genozids an. Darüber hinaus bezichtigen wir sie der Komplizenschaft und der Unterstützung mit Millionen von Euros für Regierungen, die Menschenrechte systematisch verletzen und in denen Geflüchtete jegliche Art von Misshandlungen erleben.

Wir verurteilen auch die Unterstützung von Camps in afrikanischen Staaten, die die Geflüchteten an einer Ankunft in Europa hindern soll und damit ihre Bedürfnisse und ihr Recht auf Asyl unsichtbar machen. Wir verurteilen die zunehmende finanzielle Aufstockung Frontex‘s, um die Festung Europas auszubauen und die Externalisierung der europäischen Grenzen zu rechtfertigen. Diese negativen Aspekte Europas hängen mit dem Kapitalismus zusammen. Im Zentrum dessen stehen Herrschaft, Ausbeutung und Profitgier. Es geht lediglich um die Wirtschaft und soziale Privilegien.

Das europäische System befindet sich in einer Krise und ist nicht im Stande, seinen Sozialstaat aufrecht zu erhalten. Das führt zu einem rechtsextremen Diskurs, der zunehmend auch Einzug in größere Teile der Gesellschaft erhalten hat. Dies spiegelt sich in ihrem Wahlverhalten wider. Parteien wie etwas die AfD oder CSU erhalten Unterstützung von weniger konservativen Parteien und sind direkt verantwortlich für die Entwicklung von auf Rassismus und Diskriminierung basierenden Gesetzen gegen Geflüchtete. Dieser Populismus zeigt sich in der jetzigen Politik, wie etwa dem Bau von „AnkER“-Zentren. Diese sind nicht mehr als Ghettos für Geflüchtete, isolieren sie von der Gesellschaft und setzen sie der Gewalt von Polizei und Sicherheitskräften aus. Die Polizei führt gewaltsam Abschiebungen durch, in dem sie mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden mit Hunden in die Lager kommen, die Geflüchteten aufwecken und ohne Vorwarnung zum Flughafen bringen. Währenddessen werden grundlegende Menschenrechte wie Bildung, Gesundheitsversorgung und angemessene Unterbringung verwehrt. Während unserer Besuche der Lager auf der Bustour wurden wir Zeug*innen dieser Situation. Die Lebensbedingungen von Geflüchteten in diesen „AnkER“-Zentren verschlechtern sich ständig.

Während der Bustour wurde auch die Praxis des „Racial Profiling“ durch die Polizei enthüllt. Dies zeigt einmal mehr den Rassismus Europas. Frauen verbinden Rassismus mit der Gewalt und Ausbeutung des Kolonialismus, der auch das Patriarchat offenbart und gerade Frauen in eine besonders sensible Situation während der Flucht bringt. Denn sie werden Opfer von Menschenhandel, Prostitution, sexueller Gewalt und finanzieller Ausbeutung. Die Polizei setzt der Familienzusammenführung dabei verschiedene Hürden in den Weg, wodurch Frauen von ihren Kindern getrennt werden.

Wir klagen Deutschland und die Europäische Union dafür an, dass sie wissentlich diese Politik der Tötung von Geflüchteten betreiben und fördern, dass ihnen der Mut fehlt, das Recht auf Bewegungsfreiheit für Menschen und nicht nur für Waren durchzusetzen.

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