In den Medien wird derzeit wieder über Köln berichtet, erneut geht es um sexualisierte Gewalt.
In diesem Fall wurden Flüchtlingsfrauen belästigt. Nun wird, nicht nur in den Medien, angezweifelt, ob die Vorwürfe der Frauen überhaupt berechtigt sind.
Bewohnerinnen eines Flüchtlingslagers in Köln haben in einem offenen Brief permanente sexualisierte Belästigungen und Gewalt durch das Sicherheitspersonal offen gemacht. Nur wenige Frauen haben bisher Anzeige gestellt, dies wird als Hinweis auf die fehlende Glaubhaftigkeit gedeutet. Ausgeblendet wird hierbei das Vorgehen der Polizei: Nach Bekanntwerden der Vorwürfe führte sie mit einem großen Polizeiaufgebot, mit männlichen Beamten, Befragungen im Flüchtlingslager durch. Allein die massive Polizeipräsenz und der Druck, sofort aussagen zu sollen, hat ein Klima der Angst erzeugt. Den Frauen wurde das Gefühl gegeben, selbst auf der Anklagebank zu sitzen. Ein Vorgehen, das die bereits traumatisierten Flüchtlingsfrauen re-traumatisieren, verängstigen und zum Schweigen bringen kann. In Deutschland wurde schon vor vielen Jahren damit begonnen Polizist_innen auszubilden, um Frauen zu befragen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Gilt das nur für deutsche Frauen?
Women in Exile ist eine Initiative von Flüchtlingsfrauen in Brandenburg. Wir zeigen seit dreizehn Jahren Missstände in den Flüchtlingslagern auf. In den Unterkünften fehlt jede Privatsphäre, selbst Waschräume und Toiletten sind nicht immer abschließbar. Sexualisierte Gewalt gehört zum Alltag der Bewohnerinnen, sie geht auch von den Mitarbeitern der Einrichtungen aus. Einige Fälle sind in den letzten Monaten öffentlich geworden, wie zum Beispiel die Vorwürfe gegen DRK Mitarbeiter in Eisenhüttenstadt.
Dies sind keine Einzelfälle in Deutschland sondern für Organisationen wie Women in Exile alltägliche Informationen. Hier ein Ausschnitt dazu aus der Dokumentation von Women in Exile vom Sommer 2015:
„Wir sind alle täglich betroffen von sexueller Belästigung im Lager. Es gibt keine Frauen, die nicht eine Geschichte von aufdringlichen Blicken, widerlichen Kommentaren, unerwünschtem Anfassen oder gar versuchter oder tatsächlicher Vergewaltigung erzählen könnten. „Sie berichten von sexueller Belästigung, vor allem nachts klopfen Männer um drei Uhr nachts an ihre Zimmertür, und wenn sie die Security informieren, ist es dieselbe alte Geschichte, die wir aus anderen Lagern kennen: „wir können da nichts machen, aber kommt wieder, wenn es noch mal passiert.“ Die Frauen haben den Eindruck, dass nur was unternommen wird, wenn die Katastrophe schon passiert ist.“
Nun im Falle Eisenhüttenstadt fordert das Innenministerium gegenüber dem DRK eine lückenlose Aufklärung. Dies ist natürlich wünschenswert. Es wäre auch schön, wenn das Innenministerium seiner Verantwortung nachkommen und den von ihm geforderten „effektiven Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt“ umsetzen würde. Erinnern wir uns an die Worte von Familienministerin Schwesig im September 2015, wo sie einen geschützten Raum für Frauen und Kinder forderte.
Für die betroffenen Frauen ist es sehr schwer, ihre Erfahrungen offen zu machen. Sie fürchten, dass man ihnen nicht glaubt oder Schuld für den Übergriff zuweist. Dass diese Angst berechtigt ist, wird im Moment wieder deutlich. Das gesellschaftliche Klima verschlechtert sich mehr und mehr.
Die Schuld für Missstände und Gewalt wird bei den Flüchtlingen und ihren Unterstützer_innen gesucht. In Clausnitz wird gegen Flüchtlinge ermittelt, die sich gegen den rassistischen Mob mit erhobenem Mittelfinger und Handyaufnahmen wehrten. Die physische Gewalt der Polizeibeamten wird von Seiten der Verantwortlichen weg geredet, der Einsatz für rechtmäßig erklärt. Den Kölner Flüchtlingsfrauen und ihren Unterstützer_ innen wird fehlende Glaubhaftigkeit unterstellt. Eine verkehrte Welt: Die Gewalt geht von denjenigen aus, deren Aufgabe es sein sollte, Menschen vor Gewalt zu schützen. Die Täter, Sicherheitspersonal und Polizei, werden für ihre Taten nicht belangt. Ein Alptraum für die Betroffenen, sie flüchten vor Gewalt und erleben an dem Ort, an dem sie sich in Sicherheit wähnen, erneut Schreckliches.
Women in Exile and Friends fordert die sofortige Abschaffung der Lager. Die Lebensbedingungen in den Sammelunterkünften sind unhaltbar, es gilt – nicht nur – Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen.
Wer Gewalt ausübt, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden – selbstverständlich auch Sicherheitspersonal und Polizei. Es bedarf umfassender politischer Maßnahmen, um Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen – in den Lagern sind sie stattdessen auch noch institutioneller Gewalt ausgesetzt
Gewalt gegen Flüchtlingsfrauen darf nicht aus dem Kontext heraus genommen werden, um Diskriminierung und Rassismus zu rechtfertigen. Frauen dürfen nicht in Flüchtlingsfrauen und deutsche Frauen aufgespalten werden.
Wir brauchen keine Pogidas, Pegidas oder Asyl-Pakete. Wir brauchen politische Maßnahmen, um Frauen vor sexualisierter Gewalt, Belästigung und vor physischer Gewalt zu schützen.
Wir fordern umfassende politische Maßnahmen, die alle Frauen schützen, unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status.
Wer Gewalt gegen Frauen ausübt, soll für sein Handeln verantwortlich gemacht werden, unabhängig von der Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe der Täter.
Wir fordern: Keine Lager für Frauen und Kinder. Alle Lager abschaffen.
Stopp !!! Hört auf Diskriminierung und Rassismus mit Frauenrechten zu legitimieren!
Stopp !!! Kein ökonomischer Profit auf Kosten von Flüchtlingen!